Stell dir vor, du hast in deinem Team einen Kollegen, der bei Besprechungen immer wieder mit kreativen, genialen Ideen um die Ecke kommt, gleichzeitig aber oft Schwierigkeiten hat, pünktlich zu Terminen zu erscheinen oder Aufgaben rechtzeitig abzugeben. Vielleicht arbeitet diese Person manchmal so intensiv an einem Projekt, dass die Zeit um sie herum einfach verschwindet – und dann bleibt die E-Mail-Inbox unbeantwortet. Klingt bekannt? Dann könnte AD(H)S im Spiel sein.
AD(H)S, also die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, betrifft rund 5 % der Erwachsenen – und das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Viele Führungskräfte wissen wenig darüber, was ADHS eigentlich bedeutet und wie es den Berufsalltag beeinflusst. Dabei ist das Thema unglaublich wichtig: Mit dem richtigen Verständnis und ein paar Anpassungen kannst du die Stärken deiner Mitarbeitenden mit ADHS fördern und gleichzeitig Herausforderungen besser managen.
In diesem Artikel erfährst du, wie sich AD(H)S im Berufsleben zeigt, welche Stolpersteine es gibt und warum Menschen mit AD(H)S oft erstaunliche Fähigkeiten mitbringen, die dein Team bereichern können. Legen wir los!
AD(H)S bei Erwachsenen?
Typische Herausforderungen im Arbeitsalltag
Die verborgenen Stärken von Mitarbeitenden mit AD(H)S
Wie du als Führungskraft unterstützen kannst
Vorteile für das gesamte Team
Zum Mitnehmen: Was du jetzt tun kannst
Viele denken bei AD(H)S sofort an Kinder, die im Unterricht zappeln und nicht stillsitzen können. Also den klassischen »Zappel-Philipp«. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. AD(H)S hört nämlich nicht auf, wenn man erwachsen wird. Es sieht dann nur anders aus. Erwachsene zappeln vielleicht nicht mehr sichtbar mit den Beinen, aber dafür springt ihr Kopf von einem Gedanken zum nächsten:
Das klingt anstrengend, oder? Und das ist es manchmal auch. Aber das liegt nicht daran, dass Menschen mit AD(H)S faul oder unmotiviert sind. Ihr Gehirn funktioniert einfach ein bisschen anders, und das macht bestimmte Dinge – wie konzentriert an einer Sache dranbleiben – echt schwierig.
Ein neurotypisches Gehirn arbeitet so, wie man es vielleicht in der Schule gelernt hat: Reize kommen rein, das Gehirn entscheidet, was wichtig ist, und alles läuft mehr oder weniger geordnet ab. Bei einem neurodiversen Gehirn, wie es bei AD(H)S der Fall ist, läuft das alles etwas chaotischer. Alles wirkt interessant – oder auch überwältigend. Das Gehirn filtert nicht so stark und springt ständig zwischen den Reizen hin und her.
Trotzdem (oder gerade deswegen) bringen Menschen mit AD(H)S richtig coole Stärken mit: Sie haben oft geniale Ideen, sehen Verbindungen, die anderen entgehen, und können sich in Sachen reinknien, die sie wirklich interessieren. Klar, sie brauchen manchmal ein bisschen Unterstützung – zum Beispiel klare Strukturen oder Hilfe beim Zeitmanagement – aber dann können sie im Team richtig aufblühen.
Das Ganze hat auch eine wissenschaftliche Grundlage. Im Gehirn von Menschen mit AD(H)S gibt es oft ein Ungleichgewicht bei den Botenstoffen, vor allem Dopamin und Noradrenalin. Diese Stoffe helfen, den Fokus zu halten und Prioritäten zu setzen. Wenn davon zu wenig da ist, wird’s schwierig:
Lustigerweise erklärt das auch den berühmten Hyperfokus: Wenn etwas wirklich spannend ist, können Menschen mit AD(H)S stundenlang darin aufgehen – und dabei oft Dinge erreichen, die andere nicht mal anfangen würden.
Bei Kindern ist AD(H)S oft viel leichter zu erkennen: Ein Kind, das keine Sekunde stillsitzen kann, ständig redet und immer in Bewegung ist. Bei Erwachsenen sieht das oft ganz anders aus. Sie haben gelernt, sich nach außen hin »normal« zu verhalten – aber die inneren Herausforderungen bleiben.
Ein wichtiger Punkt: Erwachsene mit AD(H)S haben oft bereits Strategien entwickelt, um ihre Symptome auszugleichen – manche durch viel Disziplin, andere durch kreative Tricks. Das ist beeindruckend, aber es ändert nichts daran, dass sie oft an ihre Grenzen stoßen.
Wir schreiben immer AD(H)S, weil es neben dem klassischen ADHS auch noch ADS gibt, die Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Das ist sozusagen die »ruhigere« Schwester von ADHS. Der große Unterschied: Bei ADS fehlt die Hyperaktivität.
Ob ADS oder ADHS, die Herausforderungen im Alltag sind ähnlich. Beide Formen haben ihre eigenen Stärken und Schwierigkeiten, aber eines steht fest: Mit dem richtigen Umgang können Betroffene unglaublich viel erreichen.
Im Arbeitsalltag gibt’s für Menschen mit AD(H)S ein paar typische Stolpersteine, die echt nerven können – für die Person selbst und manchmal auch fürs Team. Aber das ist kein Drama. Mit ein bisschen Verständnis und den richtigen Tricks kannst du dafür sorgen, dass diese Hürden nicht mehr im Weg stehen.
Das wohl größte Hindernis für viele Menschen mit AD(H)S ist die Ablenkbarkeit. Gerade in Großraumbüros oder offenen Arbeitsumgebungen, wo ständig Geräusche und Gespräche im Hintergrund laufen, fällt es vielen schwer, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren.
Du kennst das sicher auch: Manchmal wird eine Aufgabe bis zum letzten Moment aufgeschoben, obwohl sie eigentlich schon längst erledigt sein sollte. Bei Menschen mit AD(H)S ist Prokrastination oft ein häufiges Thema. Das hat weniger mit Faulheit zu tun, sondern viel mehr mit der Schwierigkeit, die Dringlichkeit einer Aufgabe rechtzeitig zu erkennen.
Stress und Kritik werden von Menschen mit AD(H)S oft intensiver wahrgenommen. Das liegt daran, dass ihr Gehirn auf Reize oft stärker reagiert als bei anderen. Kritik kann sich wie ein persönlicher Angriff anfühlen, auch wenn sie sachlich und konstruktiv ist.
Diese Herausforderungen sind kein Weltuntergang – sie lassen sich mit etwas Verständnis und den richtigen Anpassungen im Arbeitsalltag gut meistern. Wenn du weißt, was und wie die Hürden sind, kannst du gezielt entgegenwirken und ein Umfeld schaffen, das sowohl den Mitarbeitenden als auch dem Unternehmen zugutekommt.
Ein wichtiger Punkt, den du als Führungskraft im Hinterkopf behalten solltest, sind die Energie-Schwankungen, die viele Menschen mit AD(H)S erleben. An manchen Tagen sind sie richtig auf Zack – fast wie ein Duracell-Häschen, das einfach nicht aufhören kann zu arbeiten. Sie haben unendlich viel Energie, sprudeln vor Ideen und können richtig viel leisten. Doch dann gibt es auch Tage, an denen sie sich wie in einem »Schildkrötenpanzer« fühlen: Es fällt ihnen schwer, überhaupt aus dem Bett zu kommen oder sich für irgendetwas zu motivieren. Diese Schwankungen können es schwierig machen, den Arbeitsfluss vorherzusagen. An den »Häschen-Tagen« läuft alles super, aber an den »Schildkröten-Tagen« fühlt es sich manchmal an, als ob nichts vorwärtsgeht, egal wie sehr du versuchst, zu motivieren.
Wir haben viel über die Herausforderungen gesprochen – aber was viele nicht wissen: Menschen mit AD(H)S haben auch eine Menge Stärken, die oft übersehen werden. Diese Stärken können richtig wertvoll für dein Team sein! Sie bringen Kreativität, die Fähigkeit, sich auf die richtigen Dinge zu fokussieren, und eine enorme Flexibilität mit. In diesem Abschnitt schauen wir uns an, welche verborgenen Talente in Mitarbeitenden mit ADHS stecken und wie du diese nutzen kannst.
Viele Menschen mit AD(H)S sind außergewöhnlich kreativ und haben einen unkonventionellen Blick auf die Dinge. Sie finden Lösungen, die anderen nicht sofort einfallen, und sind oft in der Lage, Probleme auf völlig neue Art zu betrachten.
Ein wenig wie der berühmte Tunnelblick: Wenn Menschen mit AD(H)S in ein Projekt eintauchen, können sie sich mit einer intensiven Konzentration auf die Aufgabe fokussieren, die die meisten anderen als beeindruckend empfinden würden. Wenn sie von einem Thema begeistert sind, sind sie nicht mehr abzulenken.
Viele Menschen mit AD(H)S sind erstaunlich flexibel und können sich schnell auf neue Situationen einstellen. Veränderung, die andere stressen würde, ist für sie oft weniger problematisch.
Diese Stärken sind echte Schätze, die oft ungenutzt bleiben, weil wir mehr auf die Herausforderungen schauen. Aber wenn du die richtigen Aufgaben und Projekte gibst, kannst du diese Talente zum Strahlen bringen. So profitieren nicht nur die Mitarbeitenden mit AD(H)S, sondern das ganze Team. Es geht darum, dass du das Beste aus jedem herausholst – und wenn du diese verborgenen Stärken förderst, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung!
Als Führungskraft hast du die Möglichkeit, den Arbeitsalltag für Menschen mit AD(H)S so zu gestalten, damit sie ihr Bestes geben können. Es geht nicht darum, alles komplett anders zu machen, sondern um kleine Anpassungen, die einen großen Unterschied machen. Hier sind einige einfache, aber effektive Wege, wie du konkret unterstützen kannst.
Für viele Menschen mit AD(H)S hilft eine klare Struktur dabei, den Überblick zu behalten. Sie brauchen klare Erwartungen, feste Deadlines und gut strukturierte Aufgaben, damit sie wissen, was genau zu tun ist und wie sie es angehen können.
Flexibilität im Arbeitsalltag ist für viele Menschen mit AD(H)S ein echtes Plus. Das bedeutet nicht nur Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten, sondern auch die Freiheit, den Arbeitsrhythmus selbst zu bestimmen, wann es am besten passt.
Regelmäßiges, konstruktives Feedback ist unglaublich wichtig, um den Überblick zu behalten und Fortschritte zu erkennen. Menschen mit AD(H)S reagieren oft stärker auf Feedback, weil sie durch ihre Konzentrationsschwächen oder Prokrastination das Gefühl haben können, dass sie nicht auf dem richtigen Weg sind. Feedback hilft ihnen, Unsicherheiten zu beseitigen und die Richtung klar zu machen.
Technische Tools können Menschen mit AD(H)S enorm helfen, sich zu organisieren und den Fokus zu behalten. Digitale Planer, Kalender oder Apps können das Chaos im Kopf in geordnete Bahnen lenken. Sie bieten eine externe Struktur, die das chaotische innere Gedankenkreisen bremsen kann. Menschen mit AD(H)S haben oft Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten, weil ihre Gedanken von einem Thema zum nächsten springen und sie Schwierigkeiten haben, sich zu fokussieren. Hier kommen digitale Tools ins Spiel:
Mit diesen kleinen Anpassungen kannst du eine Arbeitsumgebung schaffen, die Menschen mit AD(H)S dabei hilft, ihr Bestes zu geben. Es geht darum, Unterstützung zu bieten, wo sie gebraucht wird, ohne die Person zu überfordern. Es sind die Details, die den Unterschied machen!
Wenn du Mitarbeitende mit AD(H)S unterstützt, dann profitiert nicht nur die Person selbst – auch das Team hat was davon. Es geht darum, Stärken zu nutzen, das Miteinander zu verbessern und gleichzeitig kreativer zu werden. Klingt gut, oder?
Manchmal wissen Teams einfach nicht, wie sie mit unterschiedlichen Arbeitsweisen umgehen sollen. Wenn jemand mit AD(H)S etwa in einem Meeting von einer Idee zur nächsten springt, wirkt das auf den ersten Blick vielleicht chaotisch. Aber genau das ist oft der Moment, in dem kreative Verbindungen entstehen. Und wenn das Team versteht, warum diese Person so tickt und wie sie arbeitet, dann entsteht ein viel entspannteres Miteinander.
Ein Beispiel: Stell dir vor, ein Teammitglied kommt mit vielen kleinen Ideen um die Ecke, und die Kolleg:innen denken: »Was macht der denn jetzt schon wieder?« Wenn das Team aber weiß, dass solche Ideen oft der Anfang von etwas Größerem sind, geht man ganz anders damit um. Statt genervt zu sein, hört man genauer hin und findet vielleicht gemeinsam den roten Faden.
Das stärkt nicht nur das Verständnis füreinander, sondern auch den Teamspirit. Man sieht: »Okay, jeder hat seinen eigenen Stil – und das ist auch gut so.« Solche Einsichten sorgen dafür, dass das Team insgesamt offener und respektvoller wird.
Menschen mit AD(H)S denken oft nicht geradeaus – und das ist ein riesiger Vorteil, wenn es um Kreativität geht. Sie sehen Verbindungen, die anderen vielleicht nicht auffallen, und bringen oft die unkonventionellen Ideen mit, die man für echte Innovation braucht. Manchmal wirken diese Ideen auf den ersten Blick etwas »zu verrückt«, aber genau das kann der Schlüssel für den Erfolg sein.
Ein Beispiel: Stell dir vor, das Team brainstormt, wie man ein neues Produkt vermarkten könnte. Während alle über Standardlösungen nachdenken, kommt jemand mit AD(H)S plötzlich mit einer Idee um die Ecke, die total schräg klingt – vielleicht eine völlig andere Zielgruppe oder ein ungewöhnlicher Marketingkanal. Erst denken alle: »Das ist ja mal ungewöhnlich.« Aber am Ende stellt sich raus: Genau das könnte den Unterschied machen.
Und das Beste ist, dass diese Kreativität auch andere ansteckt. Wenn ein Team merkt, dass ungewöhnliche Vorschläge willkommen sind, werden alle mutiger und trauen sich, ihre eigenen verrückten Ideen zu teilen. So entsteht ein Umfeld, in dem Kreativität wirklich fließen kann.
Wenn du Menschen mit AD(H)S unterstützt, stärkst du das Team als Ganzes. Es wird nicht nur empathischer, sondern auch kreativer und dynamischer. Und das Beste: Ihr wachst alle gemeinsam – als Menschen und als Team.
Die Arbeit mit Mitarbeitenden, die AD(H)S haben, kann eine echte Bereicherung für jedes Team sein. Ja, es gibt Herausforderungen – wie Ablenkbarkeit oder Schwierigkeiten mit Zeitmanagement – aber mit den richtigen Strategien lassen sich diese Hürden nicht nur meistern, sondern in Chancen verwandeln. Menschen mit ADHS bringen Kreativität, Innovationskraft und Flexibilität ins Team – und das sind Stärken, die jedes Unternehmen voranbringen.
Es geht darum, die richtige Balance zu finden: Herausforderungen erkennen, ohne sie zu dramatisieren, und gleichzeitig Potenziale fördern, damit alle profitieren. Wenn du als Führungskraft Verständnis zeigst, Strukturen schaffst und Stärken unterstützt, machst du nicht nur die betroffenen Mitarbeitenden erfolgreicher – du stärkst das gesamte Team.
Und jetzt bist du dran! Überlege, wo du in deinem Unternehmen ansetzen kannst:
Die ersten Schritte sind oft einfacher, als du denkst. Fang klein an – und schau, wie schnell sich positive Veränderungen zeigen können.