Jeder von uns hat Stress. Klar, denn das gehört zu unserem modernen Leben irgendwie dazu. Besonders in jetzt in der (Vor-)Weihnachtszeit, in der eine Weihnachtsfeier die andere jagt, man drüber grübelt, was man wem schenkt und wie man das besorgen kann, und eigentlich sollte es die stillste Zeit des Jahres sein! Kein Wunder, wenn du nicht mehr weißt, was du zu erst machen sollst und wo dir da der Kopf steht. Aber was ist Stress eigentlich? Hier liest du, welche Arten von Stress es gibt, wie er entsteht und was chronischer Stress in unserem Körper anrichtet.
Stress: Ein Freund oder Feind?
Woher kommt der Begriff Stress?
Was stresst uns?
Reagieren Männer und Frauen unterschiedlich auf Stress?
Was geschieht in unserem Körper, wenn wir Stress haben?
Resilienz und Belohnungssystem: Was Dopamin mit Stress zu tun hat
Chronischer Stress: Mehr als nur intensive Belastung
Von Erschöpfung bis Herzproblemen: Wie chronischer Stress unsere Organe beeinflusst
Die Auswirkungen von Stress auf das Gehirn werden durch zwei wichtige Gehirnregionen gesteuert: den Hypothalamus und die Hypophyse. Diese setzen die Stresshormone Adrenalin und Kortisol frei, die unser gesamtes Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzen und Energie für kurzfristige Herausforderungen mobilisieren. Dadurch sind wir wacher, körperlich leistungsfähiger und haben eine höhere Schmerztoleranz.
Problematisch wird es jedoch, wenn der Kortisolspiegel durch chronischen Stress dauerhaft erhöht bleibt. Dies kann zu einer Schädigung der Nervenzellen, vor allem im Hippocampus, führen – dem Bereich, der für Gedächtnis und Lernen zentral ist. Ein dauerhaft hoher Kortisolspiegel hemmt die Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese) und die Vernetzung im Gehirn, was unsere Lernfähigkeit und geistige Flexibilität beeinträchtigen kann. Außerdem kann chronischer Stress entzündungsfördernde Stoffe (Zytokine) freisetzen, die das Immunsystem belasten, sowie Muskel- und Knochensubstanz abbauen.
Entscheidend ist jedenfalls, wie wir selbst die stressige Situation bewerten und darauf reagieren. Eine einzige Situation kann positiven oder negativen Stress auslösen – und unsere Erfahrungen und gelernten Reaktionen sind oft der Schlüssel. Stell dir vor, du siehst im Park einen großen Hund auf dich zulaufen: Bist du Hundefan, freust du dich vielleicht und freust dich auf das Spiel. Wenn du jedoch schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht hast, spürst du möglicherweise Stress oder sogar Angst. Unsere Erfahrungen und Einstellungen beeinflussen also stark, wie wir Stress erleben und welche körperlichen Reaktionen folgen.
Wir unterscheiden grundsätzlich zwei verschieden Arten von Stress:
Eustress hat den Vorteil, dass er uns anspornt, unsere Leistung zu steigern und persönliche Grenzen zu überwinden, ohne dabei zu einem langfristigen Schaden zu führen. Solange wir lernen, diese Stressreaktionen bewusst zu regulieren und die Balance zu wahren, bleibt das Belohnungssystem ein hilfreiches Instrument zur Stärkung unserer mentalen und körperlichen Gesundheit.
Distress ist die negative Form von Stress, die entsteht, wenn wir mit einer Situation konfrontiert werden, die unsere physischen oder psychischen Ressourcen überfordert. Im Gegensatz zu Eustress, der uns motiviert und anspornt, führt Distress zu Überlastung. Distress tritt auf, wenn die Anforderungen einer Situation als bedrohlich wahrgenommen werden und unsere Fähigkeit zur Bewältigung übersteigen. Wenn wir uns hilflos fühlen und keine Kontrolle über die Stressfaktoren haben, wird Stress als belastend erlebt.
Ein Beispiel für Distress ist chronischer Stress, der durch anhaltende Belastungen wie Überarbeitung, finanzielle Sorgen oder zwischenmenschliche Konflikte verursacht wird. Diese Art von Stress kann zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, wie etwa Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, erhöhter Herzfrequenz oder Bluthochdruck. Der Körper bleibt in einem Zustand der Alarmbereitschaft, was auf Dauer zu einer Schwächung des Immunsystems und einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führt.
Der Vater der Stressforschung Hans Selye beobachtete 1936 während eines Laborversuchs an Ratten, dass sich unter Einfluss von Stress deren Lymph- und Thymusdrüsen veränderten. Er nanntet diese Veränderungen als »Allgemeines Adaptionssyndrom« – eine Art Anpassungsprozess, durch den der Körper auf wiederholte Belastungen reagiert. Selye griff später einen Begriff aus der Physik auf – »Stress« – um eine Herausforderung zu beschreiben, die als Bedrohung wahrgenommen wird, wenn sie unsere Bewältigungsmöglichkeiten übersteigt.
Heutzutage wird Stress breiter definiert. Er kann als äußere Belastung (Stimulus), als körperliche Reaktion oder als Wechselwirkung (Transaktion) beschrieben werden, die sowohl psychische als auch physische Ressourcen eines Menschen in Anspruch nimmt. Solche Belastungen lösen komplexe biologische Reaktionen im Körper aus, die uns kurzfristig aktivieren können, aber langfristig auch belasten:
Stressoren stören von innen oder außen unser Gleichgewicht, und wir brauchen zur Wiederherstellung dieses Gleichgewichts Energie, die wir aber nicht automatisch und unmittelbar verfügbar haben. Es sind also Faktoren, die bei uns mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Stress oder Stressempfinden auslösen. Diese Faktoren können von außen kommen – also physische Einflüsse wie Lärm oder extreme Temperaturen – aber auch aus unserem sozialen Umfeld kommen (z.B. Trauer, Isolation, Konflikte). Oder sie haben ihren Ursprung in uns selbst (z.B. Ängste, Ärger oder Misserfolg). Solche Stressoren rufen in uns biologische, psychische und soziale Anpassungsreaktionen hervor: Unser Körper mobilisiert etwa erhöhte Wachsamkeit (Vigilanz), Angst körperliche Aktivität oder sozialen Rückzug – Strategien, die uns helfen sollen, die Belastung zu bewältigen und wieder ins Gleichgewicht zurückzufinden.
Im Alltag treten Stressoren selten isoliert auf. Stattdessen kommen sie häufig in Clustern vor – eine Sammlung kleiner, alltäglicher Belastungen, oft als »daily hassels« bezeichnet, wie Zeitdruck, kleinere Konflikte oder organisatorische Aufgaben. Diese kontinuierliche Anhäufung kann langfristig sogar belastender sein als einzelne größere Lebensereignisse, weil sie unseren Körper und Geist ständig in Alarmbereitschaft halten. Diese Belastungen erhöhen das Risiko für maladaptive Entwicklungen, d.h. ungünstige Anpassungen, die zu chronischem Stress und potenziellen gesundheitlichen Folgen führen können.
Ob und wie Stressoren uns belasten, hängt davon ab, wie wir die Situation wahrnehmen und bewerten. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle: wie intensiv und anhaltend die Herausforderung ist, ebenso wie unsere eigene persönliche Verfassung, unsere geistige und körperliche Widerstandsfähigkeit und unsere Fähigkeit uns anzupassen (Resilienz). Unsere Kompetenz, stressige Situationen bewältigen zu können, entwickelt sich maßgeblich in unserer Kindheit und Jugend. Während dieser prägenden Zeit haben sowohl genetische Anlagen als auch die äußeren Umwelteinflüsse – wie Erziehung, soziale Unterstützung und Erfahrungen – entscheidenden Einfluss darauf, wie widerstandsfähig wir später mit Stress umgehen können.
Es gibt viele Studien, die aufzeigen, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf Stress reagieren und unterschiedliche Strategien zur Bewältigung entwickeln. Diese Unterschiede zeigen sich schon im Kindesalter, sind aber besonders im Jugendalter stark ausgeprägt. Mädchen neigen dazu, stärker unter Stress zu leiden und zeigen häufigere Stresssymptome als Jungen. Diese erhöhte Anfälligkeit für Stress bei Mädchen könnte durch biologische und gesellschaftliche Einflüsse bedingt sein, zum Beispiel durch hormonelle Veränderungen oder unterschiedliche soziale Erwartungen und Verhaltensnormen.
In Bezug auf die Bewältigung von Stress zeigen sich ebenfalls Unterschiede: Frauen suchen tendenziell eher soziale Unterstützung, teilen ihre Sorgen mit Freunden oder Familienmitgliedern und versuchen, emotionale Nähe und Hilfe zu finden. Männer hingegen greifen oft zu vermeidenden Strategien, wie dem Zurückziehen oder dem Versuch, die stressige Situation zu ignorieren. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen können sich auf die Art und Weise auswirken, wie Männer und Frauen langfristig mit Stress umgehen und welche Auswirkungen dieser auf ihre psychische und körperliche Gesundheit hat.
Um auf eine Herausforderung zu reagieren, aktiviert unser Körper den sogenannten »Kampf-oder-Flucht«-Modus, der es uns ermöglicht, auf Bedrohungen schnell und effizient zu reagieren. Dieser Prozess wird durch die Aktivierung von drei Haupt-Stressachsen gesteuert, die unsere physiologischen und psychischen Reaktionen beeinflussen:
Die Stresshormone und Neurotransmitter beeinflussen eine Vielzahl von Körperprozessen, um uns auf eine mögliche Bedrohung vorzubereiten. Diese Botenstoffe verändern unser Bewusstsein, indem sie unsere Aufmerksamkeit schärfen und uns in Alarmbereitschaft versetzen. Sie steigern die Leistung des Herz-Kreislaufsystems, indem sie die Herzfrequenz und den Blutdruck erhöhen, sodass mehr Sauerstoff zu den Muskeln transportiert wird. Gleichzeitig wird der Tonus der glatten Muskulatur (wie in den Verdauungsorganen) und der Skelettmuskulatur angepasst, um eine schnelle Reaktion zu ermöglichen.
Außerdem fördern diese Neurotransmitter die Sekretion von Schweißdrüsen, um den Körper vor Überhitzung zu schützen, sowie die Verdauungssekretion, um das Verdauungssystem auf die notwendige Energieaufnahme vorzubereiten. Der Energiestoffwechsel wird ebenfalls angeregt, indem Fettsäuren und Zucker mobilisiert werden, die als schnelle Energiequelle dienen, damit wir auf eine akute Herausforderung reagieren können.
Wenn wir eine Stresssituation erfolgreich bewältigen, reagiert unser Gehirn mit der Ausschüttung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der uns mit einem Gefühl der Belohnung und Entspannung belohnt. Dieses Belohnungssystem spielt eine wesentliche Rolle, indem es uns motiviert, herausfordernde Situationen erneut anzugehen. Dopamin fördert ein positives Gefühl von Befriedigung und kann dazu beitragen, dass wir uns nach einer stressigen Situation wieder erholen und regenerieren.
Dieser Mechanismus ist entscheidend für unsere Resilienz, da er uns ermöglicht, nach stressigen Erfahrungen wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Auch wenn es manchmal dazu führen kann, dass wir wiederholt nach herausfordernden Situationen suchen (was in bestimmten Fällen zu einer suchtartigen Verhaltensweise führen könnte), ist das Grundprinzip des »Eustress« – der positiven Form von Stress – gesundheitsfördernd und lebenssichernd.
Wenn eine Stresssituation jedoch nicht erfolgreich bewältigt wird, kann der Körper in einen chronischen Stresszustand übergehen, was zu negativen Folgen für die Gesundheit führt. Anstatt sich zu entspannen und zu regenerieren, bleibt das Stresssystem aktiviert. Dies bedeutet, dass der Körper kontinuierlich hohe Mengen an Stresshormonen wie Kortisol produziert, was auf lange Sicht das Immunsystem schwächt, Entzündungen fördert und den Schlaf beeinträchtigt.
Langfristig führt die Unfähigkeit, Stress zu bewältigen, zu einem Zustand der »Übererregung«, in dem der Körper Schwierigkeiten hat, zwischen echten Bedrohungen und alltäglichen Herausforderungen zu unterscheiden. Dieser Zustand kann das allgemeine Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen und dazu führen, dass wir uns erschöpft und überfordert fühlen.
In solchen Fällen kann die ständige Überlastung des Nervensystems die Fähigkeit zur Stressbewältigung verringern und das Risiko für psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) erhöhen. Auch die kognitiven Funktionen können leiden, da das ständige Fehlen einer Erholung die Gedächtnisleistung beeinträchtigen und die Lernfähigkeit einschränken kann.
Chronischer Stress entwickelt sich oft schleichend und hat keinen klar erkennbaren Anfang. Er ist das Ergebnis kontinuierlicher Belastungen über längere Zeiträume hinweg, die sowohl geringe als auch intensive Stressfaktoren umfassen können. Wichtig zu verstehen ist, dass es nicht unbedingt die Intensität des Stresses ist, die entscheidend ist, sondern die Häufigkeit und der ständige Aufbau von Belastungen. Ein starker Zusammenhang zwischen den psychologischen und physiologischen Aspekten von Stress existiert, da der mentale Stress nicht nur unser emotionales Wohl beeinflusst, sondern auch direkte körperliche Auswirkungen hat, etwa auf das Herz-Kreislaufsystem oder das Immunsystem.
Zusätzlich gehören zu chronischem Stress auch sogenannte »non-events« – also belastende Erwartungen oder Befürchtungen, die nicht eintreten. Diese fehlenden Ereignisse können den Stress weiter verstärken, da sie das Gefühl der Unsicherheit und mangelnde Kontrolle weiter anheizen. Ein klassisches Beispiel könnte sein, sich ständig Sorgen über bevorstehende Prüfungen oder berufliche Veränderungen zu machen, ohne dass diese in der befürchteten Weise eintreten, was aber dennoch eine erhebliche Belastung darstellt.
Chronischer Stress wirkt sich negativ auf das körperliche Gleichgewicht aus und kann langfristig zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen. Dieser fortwährend aktive Stress beeinträchtigt das vegetative Nervensystem und führt zu einer Erschöpfung unserer Ressourcen. Der Körper verliert die Fähigkeit, effizient auf Stresssituationen zu reagieren, was zu einer Schwächung der Stressachsen (HHMA und SA) führt. Das bedeutet, dass die schnelle Bereitstellung von Neurotransmittern, die normalerweise zur schnellen Reaktion auf akuten Stress notwendig sind, gestört wird. Dieser Zustand kann die körperliche Gesundheit stark belasten und zu chronischen Erkrankungen führen, da der Körper ständig in einem Zustand der Alarmbereitschaft bleibt – ohne die nötige Erholung.
Strömen zu viele Reize auf uns ein, reagiert unser Körper mit einer überdimensionierten Alarmreaktion und akuter Erschöpfung. Wenn diese Belastung weiter andauert, wird aus der akuten Belastungsstörung eine Anpassungsstörung. Besonders bei genetisch induzierten Individuen kann die stressinduzierte verstärkte Ausschüttung von Neuropeptiden zu neurogenen Entzündungen in peripheren Organen wie lokale Entzündungsreaktionen mit oxidativem Stress und Schmerzen führen.
Das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) ist eine langfristige, oft sehr belastende Erschöpfung, die nicht durch medizinische Ursachen erklärt werden kann. Sie dauert mindestens sechs Monate an und wird nicht durch körperliche Anstrengung verursacht. Ruhephasen lindern die Erschöpfung nicht, und Betroffene erleben eine signifikante Reduktion ihrer sozialen und beruflichen Aktivitäten. Eine häufige Folge von CFS ist eine beeinträchtigte Funktion der endokrinen Stressachse, was zu einem Mangel an Stresshormonen wie Kortisol führen kann.
Ein weiteres mit chronischem Stress verbundenes Syndrom ist das Takotsubo-Syndrom, auch bekannt als »Broken-Heart-Syndrom«. Diese stressbedingte Herzerkrankung betrifft häufig Frauen (89,8% der Betrroffenen), besonders postmenopausale. Sie kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen, und in etwa 4,5 % der Fälle endet sie tödlich. Das Takotsubo-Syndrom ist ein weiteres Beispiel dafür, wie stressbedingte Faktoren den Körper auf tiefgreifende Weise beeinflussen können.
Was du gegen (deinen) Stress tun kannst, liest du in unserem nächsten Beitrag: Nie wieder Stress! Bleib dabei!
Du willst deine Resilienz stärken? Klick hier und erfahre, was Resilienz ist und wie du Herausforderungen meistern kannst: Unzerbrechlich: Die Kraft von Resilienz und das Überwinden von Herausforderungen im Leben