„Ich bin so emotional, wie ich will!"

Emotionen beeinflussen unser Verhalten und bestimmen, wie wir unser Leben wahrnehmen. Das wissen wir seit dem Blogartikel „Du bist immer so emotional!“. Aber wir sind unseren Emotionen nicht hilflos ausgeliefert. Nein, wir können sie regulieren. Wir können nämlich selbst bestimmen, welche Emotionen wir haben, wann wir sie haben und wie wir sie erleben und ausdrücken. 

Warum wollen wir unsere Emotionen regulieren?

Der wichtigste Grund ist sicher, dass wir unsere positiven Emotionen maximieren, wie zum Beispiel Lust, oder Negative vermeiden wollen, wie zum Beispiel Unlust - also eine hedonistische Motivation.

Oft ist es uns aber wichtig, die „richtigen" Emotionen zu haben. Richtig insofern, dass sie zur aktuellen Situation und deren Anforderungen passen: wir bereiten beispielsweise unser aggressives Verhalten vor einer erwarteten Konfrontation strategisch vor, indem wir unsere Ärgergefühle verstärken (funktionale Motivation).

Wir regulieren unsere Emotionen aber auch, um im sozialen Miteinander besser zurechtzukommen (prosoziale Motivation). So verbergen wir unsere Enttäuschung über ein unpassendes Geschenk, weil wir die Gefühle des Gebers nicht verletzen wollen. Eine Verkäuferin täuscht ein Lächeln vor oder eine Gastgeberin gute Laune, wie es eben soziale Gepflogenheiten erwarten.

Aber auch Selbstschutz kann ein Ziel von Emotionsregulation sein: wir reduzieren unseren Stress und schützen unseren Selbstwert, indem wir psychologische Abwehrmechanismen wie Verdrängung („Er ist nicht immer so!“), Distanzierung („Das geht mich nichts an!“) oder strategische Umdeutung („Er hat es nicht böse gemeint!“) anwenden. 

Schließlich setzen wir Emotionen für gezieltes Eindrucksmanagement ein: wir sind schadenfroh, wenn ein Konkurrent scheitert, oder maskieren unser Lampenfieber vor einem Auftritt oder Vortrag.

Wie regulieren wir unsere Emotionen?

Es gibt fünf Strategien, wie wir unsere Emotionen regulieren können: Stationsauswahl und -modifikation, Aufmerksamkeitskontrolle und kognitive Umbewertung vor einer erlebten Situation und Reaktionskontrolle nach dem Auftreten einer Emotion.

1. Situationsauswahl

Wir steuern unsere Emotionen, in dem wir eine Situation strategisch aufsuchen, die eine gewünschte Emotion auslöst, oder vermeiden sie. Zum Beispiel treffen wir uns mit Freunden, wenn wir einen lustigen Abend verbringen wollen, oder wir täuschen eine Krankheit vor, wenn wir einen gefürchteten Vortrag nicht halten wollen.

2. Situationsmodifikation

Wir können aber auch eine Situation aktiv so verändern, dass sie besser unseren eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Wir bereiten uns beispielsweise auf den gefürchteten Vortrag besonders intensiv vor und nehmen ihm so den Schrecken.

3. Aufmerksamkeitskontrolle

Wir kontrollieren unsere emotionale Reaktion, indem wir uns auf bestimmte Aspekte der Situation besonders konzentrieren. Vor allem wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf nicht-emotionale Aspekte der Situation oder irrelevante Reize lenken. In unserem Beispiel des gefürchteten Vortrags können wir den Blickkontakt zu den Zuhörern vermeiden und uns besonders auf unsere Vortragsfolien konzentrieren.

4. Kognitive Umbewertung

Dies ist eine sehr effektive Methode, zu der Verdrängung, Leugnung und Intellektualisierung zählen. Wir nehmen das Glas halbvoll wahr oder sehen in der Krise eine Chance. So erinnern wir uns an bereits erfolgreich gemeisterte Vorträge und sind aufgrund dieser Erfolge zuversichtlicher für den bevorstehenden Vortrag.

5. Reaktionskontrolle

Wir können unsere Emotionen aber auch willentlich verstärken oder unterdrücken. Eine Strategie ist, während des Vortrag tief durchzuatmen, wenn wir merken, dass unsere Stimme zittrig wird, aber wir uns unsere Aufregung und Nervosität nicht anmerken lassen wollen.

Die Effektivität dieser Regulationsstrategien wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien bewiesen. Dass das Unterdrücken von Emotionen funktioniert, haben unter anderen der Psychologe James J. Gross und Neurowissenschafter Robert W. Levenson 1997 gezeigt. Sie haben Versuchsteilnehmer:innen einen traurigen, einen fröhlichen bzw. einen neutralen Film gezeigt und sie angewiesen, ihre Emotionen nicht zu zeigen. Durch diese Anweisung haben die Teilnehmer:innen nicht nur weniger Emotionen gezeigt, sondern sie auch weniger gespürt. Sie haben Emotionen wie Traurigkeit oder Fröhlichkeit weniger intensiv wahrgenommen.

Diese Erkenntnis deckt sich auch mit der Facial-Feedback-Hypothese, die wir im Blog „Du bist immer so emotional!" bereits vorgestellt haben. Diese besagt, dass die Unterdrückung oder Intensivierung eines Emotionsausdrucks im Gesicht das Empfinden dieser Emotion reduziert oder verstärkt. Eine derartige Unterdrückung erhöht allerdings auch die kardiovaskuläre Aktivitätstrengt allerdings unser Herz-Kreislauf-System ganz schön an. Das ist nur verständlich, denn wenn wir ständig unsere Angst oder andere Emotionen unterdrücken, haben wir chronisch Stress, und das macht uns anfälliger für Herz- und Asthmaerkrankungen. Außerdem verbraucht es Ressourcen im Gehirn, vorallem Energie. Und diese fehlt uns dann, wenn wir Entscheidungen treffen wollen, unsere Gedanken kontrollieren oder aktiv agieren wollen. Dieser Effekt wird „ego depletion“ genannt. Außerdem reagieren wir weniger auf unser Gegenüber, weil wir uns so angestrengt auf das Unterdrücken konzentrieren und abgelenkt sind.  

Es gibt also unterschiedliche Wege, um Emotionen zu kontrollieren. Meist möchten wir einfach nur unser Wohlbefinden steigern. Oder wir wollen uns in einer Situation angemessen verhalten - zumindest wie wir glauben, dass es von uns erwartet wird. Der Königsweg dafür sind Situationskontrolle und kognitive Umbewertung, weil sie bereits eingreifen, bevor die Emotion überhaupt entsteht. Ist die Emotion schon entstanden, bleibt uns nur noch Reaktionskontrolle, aber dies geschieht auf Kosten unserer körperlichen, kognitiven und sozialen Gesundheit. 

Wir Menschen sind unseren Emotionen nicht hilflos ausgeliefert, sondern haben viele Strategien, wie wir diese Emotionen kontrollieren und an unsere persönlichen Bedürfnisse und unser soziales Umfeld anpassen können.

Also sei emotional - genau so, wie du willst!

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