Toxische Personen wie Narzissten begegnen uns jeden Tag, auf der Straße, im Büro, beim Fortgehen oder in der Familie. Tatsächlich ist die Toxizität schon innerhalb kürzester Zeit erkennbar. Unser Bauchgefühl zeigt uns recht schnell, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber wir lassen uns nur zu gern von der charmanten Fassade täuschen und wollen das wahre Ich nicht glauben. Das kann aber schwerwiegende Folgen für uns und unsere Gesundheit haben. Im letzten Beitrag »Toxische Beziehungen - Gift für die Seele« hast du erfahren, was eine toxische Beziehung ist und wie sie entsteht. Heute geht es darum, woran wir so eine toxische Person überhaupt erkennen können und wer oder was eine toxische Person eigentlich ist.
Der amerikanische Psychologe John Bradshaw entwickelte maßgeblich das Konzept des Inneren Kindes, das alle gespeicherten Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen aus der Kindheit symbolisiert: Freude und Schmerz, Glück und Traurigkeit, Neugierde und Angst, sowie Intuition und Wut. Wenn ein Mensch in seiner Kindheit und Jugend gezwungen ist, diese Gefühle zu unterdrücken, wird sein inneres Kind frustriert und verletzt. Im Erwachsenenalter zeigen sich diese Verletzungen durch diverse Abwehrstrategien, Schutzmechanismen oder Schmerzvermeidungsstrategien, die in der Kindheit zwar hochfunktional das kindliche Überleben sichern, aber später hochtoxisch sind, indem sie Beziehungen sabotieren. Bradshaw bezeichnete diese Muster als »Contaminate«, ein Wort, dessen 11 Buchstaben für jeweils ein toxisches Beziehungs- bzw. Verhaltensmuster steht.
Wir beschäftigen uns heute mit Narzissten, da wir an diesem Muster die Problematik von toxischen Personen und ihren Beziehungen zu anderen Menschen besonders gut zeigen können. Der Begriff Narzissmus hat seinen Ursprung in den Metamorphosen von Ovid: Narziss ist der Sohn der Wassernymphe Leiriope, nachdem diese vom Flussgott Kephissos missbraucht wurde. Narziss ist wunderschön und wird von allen begehrt. Doch er ist stolz und überheblich und weil ihm niemand gut genug ist, weist er alle ab. Auch die Nymphe Echo, die sich so lange nach ihm verzehrt, bis sie gar keinen Leib mehr hat und nur noch aus Schall besteht. Die Göttin Nemesis bestraft Narziss mit unstillbarer Selbstsucht und Aphrodite sorgt dafür, dass er sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Schließlich stirbt Narziss beim Versuch, sein Spiegelbild zu umarmen.
Besonders interessant finden wir, dass Narziss nicht in sich selbst verliebt ist, sondern in sein Spiegelbild – also das Bild, das er von sich selbst hat. Er ist sozusagen süchtig nach dem falschen und überhöhten Bild von sich selbst.
Bereits Sigmund Freud beschäftigte sich mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die sehr komplex ist und in vielen Formen und Ausprägungen vorkommen kann. Narzissten sind sehr stark von sich selbst überzeugt und möchten stets ihr grandioses Selbst aufrecht erhalten. Deshalb muss dieses immer wieder durch Aufmerksamkeit von anderen Menschen bestätigt werden. Greift jemand dieses überzogene Selbstbild an, reagiert der Narzisst häufig unverhältnismäßig aggressiv.
Nun haben wir narzisstische Persönlichkeitsstörungen genauer betrachtet. Diese sind jedoch nur ein Bruchteil der toxischen Personen, denn: Jeder Narzisst ist toxisch - doch nicht jeder, der toxisch ist, ist auch ein Narzisst. So wie narzisstische Menschen sind auch toxische Personen sehr charmant und haben eine starke Anziehung auf uns, weil sie uns anfangs das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein. Dadurch haben sie uns schnell in der Hand, und wir können uns kaum wehren. Hinter einer faszinierenden Fassade verstecken sich bewusst manipulierende und verletzende Personen, die Schwächen ihres Gegenüber gekonnt ausspielen.
Generell passen bei toxischen Personen ihr Selbstbild und ihre Gefühlswelt nicht zusammen. Sie besitzen ein vermindertes Einfühlungsvermögen und interessieren sich in Wahrheit nicht wirklich für andere Menschen. Sie dominieren gern andere und weigern sich, die Gefühle ihres Gegenübers zu berücksichtigen. Dabei sind sie meistens extrem bedürftig und nicht in der Lage, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Sie können nicht verzichten, sind verbohrt, uneinsichtig und unbelehrbar. Sie verlangen unablässig nach ungeteilter Aufmerksamkeit und geben anderen Menschen die Schuld, wenn diese ihre Bedürfnisse nicht erfüllen. Bei Kritik zeigen sie ihr wahres Gesicht und bestrafen mit Liebesentzug. In letzter Konsequenz zerstören sie rücksichtslos das Vertrauen ihrer Mitmenschen in sich selbst, in die Welt, in die Menschen, in die Liebe und daraus in alle Beziehungen.
Jetzt hast du schon eine Menge über Narzissten und andere toxische Personen erfahren. Du weißt auch bereits, warum sie sich genau so verhalten. Aber du bist dir immer noch nicht sicher, ob du es wirklich mit einer toxischen Person zu tun hast? Die Antwort auf deine Frage bekommst du am Ende dieser Checkliste:
Wenn du 5 der Fragen mit JA beantwortet hast, zeigt die Person starke toxische Züge. Sie sieht nur sich und nicht die anderen. Menschen sind für diese Person nur Objekte, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie benutzt andere Menschen ohne jegliches empathisches Gefühl für ihr Gegenüber. Eine Beziehung mit ihr ist äußerst schwierig und nahezu unerträglich. Ein Zusammenleben oder -arbeiten ist nur unter bedingungsloser Selbstaufgabe möglich. Aus diesem Grund wird es nie eine gesunde Beziehung werden. Also:
Nimm deine Beine in die Hand und lauf!
Die verheerenden Folgen einer toxischen Beziehung zeigen wir dir im nächsten Beitrag »Vergiftet und abhängig«.